Yoske

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1880 wurde Ze’ev Jabotinsky in Odessa geboren. Er schrieb als Journalist in Italien unter dem Namen Altalena für russische Zeitungen. Angesichts der italienischen Nationalbestrebungen festigte sich seine Überzeugung, dass auch die Juden nach nationaler Befreiung streben müssten. Jabotinski nahm 1903 zum ersten Mal an einem zionistischen Weltkongress teil und wurde ein bedeutender Vertreter der russischen Zionisten und 1907 in die Exekutive gewählt. Mit dem Auftrag jüdische Zeitungen zu gründen gelangte er nach Konstantinopel und dort zu der Ansicht, dass unter osmanischer Herrschaft ein jüdischer Neuanfang in Palästina nicht möglich sein würde. Jabotinski, der sich intensiv um die hebräische Sprache verdient zu machen begann, besuchte 1909 zum ersten Mal Palästina. Während des Ersten Weltkrieges begleitete er als Militärkorrespondent einer großen russischen Zeitung die britische Armee und traf in Alexandria auf Joseph Trumpeldor, einen Zaristischen General, der auf Seiten der Briten kämpfte und sich die militärische Befreiung des jüdischen Heimatlandes in den Kopf gesetzt hatte. Jabotinsky und Trumpeldor setzten sich bei den Briten für die Aufstellung einer jüdischen Legion ein.

In Alexandria traf Jabotinsky neben Trumpeldor auch auf einen Zionisten, der die Idee einer jüdischen Legion in der Britischen Armee scharf zurückwies. Ben Gurion ging von einem Sieg des osmanischen Reiches aus. Die zionistische Bewegung gab sich zu der Zeit betont neutral.
Die Forderung einer jüdischen Legion in Diensten des Britischen Militärs war der erste Konflikt zwischen Jabotoinsky und der offiziellen zionistischen Politik. Die Briten genehmigten Jabotinsky und Trumpeldor zunächst nur die Aufstellung eines Freiwilligenkorps aus Juden, die im Jahr zuvor aus Palästina vertrieben wurden. An der Gallipoli Front beeindruckte das Freiwilligenkorps russischer Exiljuden aus Palästina im Kampf.
Mit der Balfour Deklaration 17 ergriff schließlich auch die zionistische Bewegung Partei für die Briten. Schließlich wurde die Jüdische Legion geschaffen, die bei der Befreiung Palästinas von den Türken eingesetzt wurde. Die Briten enttäuschten Jabotinskys und Trumpeldor, als sie die jüdische Legion dann schlicht auflösten.

Trumpeldor liess sich in Tel Hai nieder. Als marodierende arabische Banden 1920 vom Libanon in die nördlichen Siedlungen des Yishuv einfielen, starb der einarmige Trumpeldor im Kampf. Sein Tod wurde zum Symbol für die jüdische Selbstverteidigung. Seine Worte “Es ist gut für sein Heimatland zu sterben” wurden zum Mythos.
Jabotinsky ging nach Jerusalem, wo es 1920 zu blutigen arabischen Übergriffen auf die Juden kam. Bei dem Pogrom kamen 180 Juden ums Leben, doch die Briten suchten sowohl bei Arabern als auch bei Juden nach Waffen. Jabotinsky wurde wegen illegalem Waffenbesitz zu 19 Jahren verurteilt. Er übersetzte im Knast Dantes Inferno ins Hebräische und wurde in einer Solidaritätsaktion in die erste Delegiertenversammlung des Yishuv gewählt. Nach 3 Monaten wurde er begnadigt.

In der Delegiertenversammlung traten schon bald Differenzen zwischen Jabotinsky und den sozialistischen Zionisten zu Tage. Diese verbanden den Zionismus mit dem Klassenkampf und forderten, dass die nationale Befreiung mit der sozialen Befreiung einzugehen hat. Jabotinsky, der eine Revision des Zionismus im Sinne von Herzl forderte, galt den Sozialisten als reaktionär.
1923 verließ Jabotinsky die Delegiertenversammlung im Streit. Im gleichen Jahr gründete er in Riga die zionistische Jugendbewegung Beitar. Beitar ist ein hebräisches Akronym für Bund Josef Trumpeldor.

Auch in der der Zionistischen Weltorganisation suchte Jabotinsky die Konfrontation mit dem Establishment.
1925 gründete er die Weltunion der zionistischen Revisionisten.
Jabotinsky und seine Anhänger waren gegen die Verständigung mit den Briten und gegen den Vorrang des Siedlungswerks vor der nationalen Befreiung. Die Revisionisten forderten die jüdische Souveränität über Palästina zu erstreiten. Sie lehnten ferner das avantgardistische Konzept der selektiven Unterstützung der landwirtschaftlichen Kollektivsiedlungen und genossenschaftlichen Arbeitersiedlungen ab.

In den 30er Jahren kam es zur Eskalation. Als Haim Arlozoroff 1933 erschossen wurde, setzten die linken Kräfte alles daran, diesen Mord den verhassten Revisionisten anzulasten.
Bei den Wahlen zum Zionistischen Weltkongress 1935 brachen die Revisionisten völlig ein. Sie bekamen 11 Prozent während die Arbeiterbewegung (seit 1933 stärkste Fraktion im ZW) 44 Prozent erreichte. Ben Gurion wurde Präsident der Jewish Agency und blieb dies bis zur Staatsgründung.
Die Revisionisten verließen die Zionistische Weltorganisation und Jabotinskys Engagement konzentrierte sich nun darauf, die Juden aus Osteuropa nach Palästina zu bekommen. Er forderte vehement die jüdische Diaspora aufzulösen, bevor diese die Juden auflöst. Er sah mit klarem Blick, dass den Juden Osteuropas die Vernichtung droht. Jabotinsky nahm die Drohungen von Adolf Hitler sehr ernst und versuchte erfolglos, die leidgeprüften Juden in Osteuropa zu überzeugen, dass ihnen eine nie gekannte Gefahr für ihr Leben droht.

1913 wurde Menachem Begin im polnischen Brest Litovsk geboren. 1935 übernahm er die Propaganda Abteilung von Beitar in Polen. Er war ein außergewöhnlich guter Redner und großer Bewunderer von Ze’ev Jabotinsky. 1939 wurde Begin Vorsitzender von Beitar in Polen. Seine Anstrengungen galten der Fluchthilfe. Er selbst verließ Warschau einige Tage nach dem Überfall der Deutschen auf Polen und gelangte nach monatelanger Odyssee durch das von den Sowjets besetzte Ostpolen nach Wilna. Nach dem russischen Überfall auf das Baltikum wurde Begin vom sowjetischen Geheimdienst festgesetzt und wegen seiner anti-revolutionären und anti-sowjetischen Aktivitäten ins Arbeitslager gesteckt. Von dort rekrutierte er sich für die von den Sowjets aufgestellte Freie Polnische Armee und gelangte mit dieser nach Palästina.

1931 wurde der Etzel in Palästina geboren. Keimzelle der militärischen Untergrundbewegung waren 30 desertierten Offizieren der Hagana, die mit der Verfilzung der Hagana mit den Institutionen der Kibbuz- und Arbeiterbewegung nicht einverstanden waren. Obwohl Jabotinsky eigentlich die Aufstellung einer regulären jüdischen Armee forderte, übernahm er sukzessive die Kontrolle über die Untergrundorganisation und wurde faktisch ihr Oberkommandant. Etzel übte Vergeltung für Arabische Übergriffe und bekämpfte die britische Fremdherrschaft.
Mit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges setzte der Etzel die Angriffe auf britische Militäreinrichtungen aus. Viele Etzel Mitglieder rekrutierten sich für die britischen Streitkräfte.

Menachem Begin übernahm 1943 die Führung des Etzel, begann die Organisation für Untergrundoperationen zu strukturieren und frischte die Indoktrination auf. Die Forderungen des Etzel waren eine Hebräische Armee, der Öffnung Palästinas für eine jüdische Masseneinwanderung, die Evakuierung der Juden aus der Sowjetunion und ein souveräner Staat. Dieser Staat sollte ganz Palästina umfassen, also beide Seiten des Jordan. Die Forderung, von Jabotinsky erhoben und von Begin adoptiert findet sich auf dem Etzel Wappen illustriert. Den Arabern sollten in dem jüdischen Staat als Minderheit alle Rechte zu Teil werden.

1925 wurde Josef “Joske” Ben Daviv Nachmias in Jerusalem geboren. Er kam als eines von acht Geschwistern einer seit Generationen in Jerusalem ansässigen Familie zur Welt. Joske schloss sich mit 12 Jahren der revisionistischen Bewegung Beitar an, womit er bereits einen Fuß im Etzel hatte, wie er sagt. Seine Laufbahn beim Etzel begann mit Aufklebern. Diesen folgte ein Anschlag auf das Eisenbahnnetz.

Im Januar 1941 rekrutierte er sich für die britische Armee. Diese stand in Nordafrika unter Druck und sah über gefälschte Geburtsdaten, so großzügig es ging, hinweg. Sein Alter war so grenzwertig, dass seinem gleichaltrigen Freund im Rekrutierungsbüro gesagt wurde, er solle lieber in den Kindergarten gehen. Ein Drittel der Rekruten aus Palästina, sagt Yoske, seinen unter 17 Jahre alt gewesen.

Joske wurde ausgebildet und kämpfte in Nordafrika gegen die anrückenden Deutschen. Vier Anekdoten zeichnen ein anschauliches Bild des Soldaten Nachmias, der sich der Krone verpflichtete und im Herzen doch ein jüdischer Freiheitskämpfer blieb.

Yoske war der Einheit 1. CRE Aerodromes zugeteilt, die auf eingenommenen Flugplätzen zum Einsatz kam. Bei der Schlacht um Tobruk wurde er beauftragt eine Sprengfalle im zweigeschossigen Hauptgebäude anzubringen. Der Flugplatz war hart umkämpft. Die Briten planten einen taktischen Rückzug und sein Kommandant meinte zu Yoske, dass er von dem Gebäude nichts mehr sehen wolle, wenn sie zurück kommen würden. Yoske brachte die Sprengfallen unter großem Zeitdruck vor den anrückenden Deutschen an und verband den Auslöser mit einer Toilettenspülung. Als seine Einheit das nächste Mal auf den Flugplatz gelangte sah er das Gebäude tatsächlich dem Erdboden gleich gemacht.

Eine andere Erzählung von Yoske bezieht sich auf die Einnahme von Benghazi und die dort verbliebenen Juden, denen es gelungen war, sich vor den Deutschen zu verstecken. Voller Erstaunen sahen sie auf die jüdischen Soldaten.
Yoske erzählt, wie jüdische Kämpfer Armeeuniformen entwendet haben und einer Gruppe von Juden aus Benghazi die Flucht per Zug über Ägypten nach Palästina ermöglichten. Sie wurden als Mitglieder einer gefakten Einheit ausgegeben und gelangten tatsächlich in den Yishuv.

Yoske und viele seiner jüdischen Mitstreiter übertraten einige Grenzen um sich als Eretz-Israelische Juden zu kennzeichnen. So fügten Beitar Aktivisten eigenmächtig zu ihrer offiziellen Kennung „Palestine“ auf ihren Schulterabzeichen „Eretz Israel“ auf Hebräisch hinzu. Ein Jüdischer Soldat kam dafür in das Militärgefängnis.

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Bei einer Truppeninspektion durch Winston Churchill in Tripolis reizte Josef Nachmias seinen Nationalstolz aus. Während die Soldaten ihrer Majestät Churchill mit britischen Flaggen zuwinkten, wartete Yoske ab, bis der Premier in seinem Wagen auf seine Höhe gelangte und zog dann eine Fahne mit dem Davidstern hervor. Churchill lies anhalten, stieg aus und kam auf Yoske zu. Die Umstehenden hatten ein sehr ungutes Gefühl für Yoske. „Where are you from, lad?“ fragte Churchill. „Jerusalem“ antwortete Yoske. „Good guy“ entgegenete der Premier.

Josef Nachmias wurde er in Sizilien verwundet und gelangte zurück nach Palästina, wo er bis zum April 1946 im Dienst der Britischen Armee blieb. Als britischer Soldat schloss er sich erneut dem Kampf des Etzel gegen die Briten an.

Unter Begin hatte der Etzel 1944 die Angriffe gegen die Mandatsmacht wieder aufgenommen. Der Organisation gelangen spektakuläre Anschläge auf bedeutende und symbolische Ziele. Begin war überzeugt, dass nur die Demonstration von Stärke die Briten dazu bewegt den Weg für einen jüdischen Staat frei zu machen. Die Funktionäre des Yishuv distanzierten sich derweil vom Etzel und drängten darauf, den Kampf gegen die britische Verwaltung im Land einzustellen um die Gründung eines jüdischen Staates auf diplomatischem Weg nicht zu gefährden.

Die Haganah drohte schließlich mit den Briten zu kooperieren. Die Haganah war der militärische Arm der demokratisch legitimierten Institutionen des Yishuv. Dem Etzel, der keiner demokratisch gewählten Instanz untergeordnet war, wurde nicht weiter zugebilligt, die Linie der politischen Führung zu untergraben. Begin wiederum erklärte, dass er den Führungsanspruch von Ben Gurion anerkenne, aber die Haganah auffordere, sich dem Kampf gegen die Besatzer anzuschließen.

Als klar war, dass sich der Etzel nicht beugt, ging die Haganah gegen die Organisation vor und nahm etliche Untergrundkämpfer fest und übergab sie den Briten. Die Hagana war in allen Siedlungen und Städten verankert und besaß nicht nur ein Vielfaches mehr an Mitgliedern, sondern verfügte im Vergleich zum Etzel auch über ein beachtliches Waffenarsenal, eine eigene Rüstungsindustrie und deutlich mehr finanzielle Mittel. Außerdem hatte die Haganah im Palmach auch die deutlich besser trainierten Truppen. Begin wies seine Leute an, auf Vergeltung gegen die Haganah zu verzichten. Yoske ist sehr wichtig zu betonen, dass sie mehrfach von Begin angewiesen wurden, ihre Waffen niemals gegen ihre jüdischen Brüder zu erheben.
Der Etzel ließ sich unter Begin zu einigen krassen Machtdemonstrationen gegen die Krone hinreißen. So regierte die Organisation auf das Auspeitschen ihrer Mitglieder mit der Gefangennahme britischer Soldaten, die sie ebenfalls auspeitschen und dann in Unterwäsche laufen ließ. Die Schwere des Affronts gegenüber der Imperialmacht ist schwer vorstellbar.
Als nach Ende des zweiten Weltkrieges in England überraschend die Arbeiterpartei an die Macht kam, war die Zuversicht im Yishuv groß. Doch die Hoffnung keimte nicht lange. Die Tore für die Holocaustüberlebenden blieben geschlossen und von der Gründung eines jüdischen Staates war keine Rede. Während die Jewish Agency ihre diplomatischen Bemühungen für einen eigenen Staat so weit wie möglich intensivierte, schlossen sich die Haganah, der Etzel und Lehi zum Hebräischen Widerstand zusammen. Sowohl der Hagana als auch dem Etzel gelangen spektakuläre Aktionen. Die Haganah glänzte als landesweit operierende Untergrundarmee mit koordinierten Anschlägen auf Brücken, das Eisenbahnnetz und Ortungsradare.

Eine Etzel Operation, die Yoske befehligte, richtete sich gegen ein Militärlager der Briten in Beit Nabalah bei Lod. Am Weihnachtstag 1945 kam er als britischer Soldat gekleidet mit vier weiteren „Soldaten“ scheinbar betrunken in das Militärlager, während 12 Kameraden in Zivil unweit des Lagers warteten. Unbefugt Uniformen der britischen Armee zu tragen, sei sehr gefährlich gewesen, erklärt Yoske. Auf das Vergehen stand die Todesstrafe.
Die fünf Eindringlinge sangen aus voller Kehle “I’m dreaming of a white christmas” und verteilten Whisky, den sie aus ihrem gefakted Jeep holten. Der Alkohol war mit Schlafmittel versetzt, dass nach kurzer Zeit wirken sollte. Tatsächlich dauerte es 2 ½ Stunden, bis die Wirkung einsetzte. Yoske und seine Männer, die alle mit jiddischen Kosenamen arbeiteten, räumten die Waffendepots des Lagers leer und flüchteten.

Eine Woche vor der Nacht der Brücken, in der die Haganah alle Landbrücken sprengte, verübte der Etzel einen Anschlag auf die Ad Halom-Brücke zwischen Yafo und Gaza bei Ashdod. Yoske, der noch im Dienst der Britischen Armee stand, wurde gefasst und von einem Feldgericht als Verräter zum Tod durch Erschießen verurteilt. Doch „so früh wollten sie mich da oben nicht haben” sagt er und erklärt eine Verkettung von Ereignissen, die ihm das Leben retteten. Zehn Tage bevor er gefasst wurde, gelang es ihm mit aufgeklebtem Spitzbart und einer Hand voll Kameraden fünf Angehörige der Britischen Armee aus einem Offizierskasino in Tel Aviv zu zu entführen. Damit sollte das Todesurteil gegen zwei Etzel Kämpfer verhindert werden, die zuvor von den Briten gefasst wurden. Schließlich rette es ihm selbst das Leben, da die Briten angesichts der Gefangenen davon abließen das Todesurteil zu vollstrecken. Die Briten suchten fieberhaft nach den Entführten, konnten deren Verlies in der alten Busstation aber nicht ausfindig machen. Yoske wurde statt zum Tod zu lebenslang verurteilt und saß 13 Monate im berüchtigten Gefängnis von Akko ein.

Mitte 46 wurde das Engagement der Haganah für den Hebräischen Widerstand gebemst. Chaim Weizmann machte sich bei der Jewish Agency dafür stark, die Angriffe gegen die Briten auszusetzen um eine diplomatische Lösung auf den Weg zu bekommen.
Dann verübte der Etzel einen Anschlag, der alte Gräben wieder aufriss. Der gewagteste Anschlag sah die Sprengung des Südflügels des King David Hotel in Jerusalem im Juni 1946 vor, in dem sich die Büros des britischen Generalstabs und des ersten Sekretärs der Mandatsverwaltung befanden. Die Briten ignorierten die telefonisch durchgegebenen Ankündigungen und die Folge waren rund einhundert Tote. Die Führung des Yishuv und die Presse, die sich in den Händen des linken Lagers befand, verurteilte die Tat. Bis heute ist das Thema ideologisch aufgeladen und die Faktenlage unklar. Yoske sagt, die Hagana hätte den Etzel mit dem Anschlag beauftragt, da sich unzählige Dokumente, die die Briten bei landesweiten Razzien sicher stellten, in den Büros der Mandatsverwaltung befanden. Dokumente, die sämtliche Untergrundaktivitäten betrafen. Telefonisch seien nicht nur die Briten mehrfach vor der Explosion gewarnt worden. Telefonisch seien zudem die Palestine Post und das französische Konsulat von dem Anschlag unterrichtet worden. Doch Sir John Shaw, der erste Sekretär der Mandatsverwaltung verbot das Gebäude nicht zu räumen und lies es mit Militärpolizei umstellen. Wobei er sich selbst aus dem Hotel stahl und die Explosion vom benachbarten YMCA Hotel aus sah.

Yehuda Zemach, der sich zum Jurastudium in Jerusalem befand, wäre fast unter den jüdischen Opfern des Anschlages gewesen. Er war zu dieser Zeit für den Mandatar als Übersetzer tätig. Die Briten hatten ihm wenige Wochen vor dem Anschlag über seine Übersetzertätigkeit hinaus eine Arbeit in der Administration angeboten. Da er besonders schlau sein wollte, sagt er, hätte er angenommen. So war es verschiedene Male in den Büros der Mandatsverwaltung im King David.

Anfang 1947 wurden vier Etzel Mitglieder zum Tode verurteilt. Der erste war Dov Gruner. Er hat während des zweiten Weltkrieges in der britischen Armee gedient und sich nach seiner Entlassung dem Etzel angeschlossen. Die erste Operation, bei der er teilgenommen hat, war ein Angriff auf das Polizeihauptquartier in Ramat Gan, wo er verwundet und gefangen wurde. Vor Gericht sagte er im Grunde nicht mehr, als dass er die Autorität der Briten nicht anerkenne und verweigerte sowohl eine Verteidigung als spaeter auch ein Gnadengesuch.
48 Stunden vor seiner Exekution schrieb Gruner an Begin: Ich schwöre, dass ich, wenn ich die Wahl hätte noch einmal anzufangen, den gleichen Weg noch einmal einschlagen würde, unbesehen der persönlichen Konsequenzen für mich. Gruner wurde ob seiner Haltung zum Mythos.
Gegen drei weitere Mitglieder des Etzel wurde im Februar die Todesstrafe verhängt. Der Fall machte Furore und die jüdische Bevölkerung lehnte das Urteil ab. Jehuda Zemach war bei dem Verfahren als Übersetzer zugegen.Die Verhandlungen fanden im Repräsentativbau des italienischen Konsulats in Jerusalem statt, wo das britische Militärgericht tagte. Für Yehuda war es ein sehr bitterer Moment, als das Militärgericht das Todesurteil verkündete. Yehuda Zemach erinnerte sich, dass die Angeklagten keine Reue und Regungen zeigten, sondern im Gegenteil zu ihren Überzeugungen und Aktionen standen. In einer Nacht und Nebel Aktion wurden die zum Tode verurteilten nach Akko gebracht und dort gehängt. Yoske sah sie noch in ihren letzten Stunden. Zwei weitere Etzel Mitglieder, die zur Exekution nach Akko transferiert wurden, sollten wenige Tage später hängen. Mit in Orangen eingeschmuggelten Granaten sollten sie die Exekution zu einem Selbstmordanschlag machen. Da allerdings ein Rabbi zugegen war, ließen sie von dem Plan ab.

Am 4. Mai 1947 gelang es dem Etzel in seiner spektakulärsten Militäroperation Gefangene aus Akko zu befreien. Zwanzig Angreifer gelangten mit Jeeps und drei Trucks als “britischer” Militärkonvoi auf das Gefängnisgelände, während kleine Wachtruppen an den Zufahrten platziert wurden. Den Angreifern gelang es ein Loch in die Gefängnismauer zu sprengen und den für die Befreiung vorgesehenen Gefangenen gelang es nach Plan auszubrechen. Der erste Lastwagen mit Angreifern und Gefangenen, der Akko verlies geriet in eine britische Straßensperre, wo er unter Feuer genommen wurde. Drei Etzel Kämpfer die in der Nähe stationiert waren und zur Unterstützung kamen, wurden erschossen. Insgesamt ließen neun Angreifer und Ausbrecher ihr Leben.
Zwei weiteren Lastwagen gelang dagegen die Flucht. Aufgrund eines Missverständnis wurde ein Wachtrupp, der eine Zufahrtsstraße zum Gefängnis sicherte nicht rechtzeitig abgezogen. Die fünf Mann wurden gefangen genommen. Drei von ihnen wurden zum Tode verurteilt.

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Yoske nahm den Kampf wieder auf.

Um die Exekution der zum Tode verurteilten Etzel Kämpfer, die beim Ausbruch aus Akko festgenommen wurden, zu verhindern, wurde der Etzel Geheimdienst HaDelek beauftragt, britische Soldaten zu entführen. In Netanya gelang es zwei Geheimdienstunteroffiziere der britischen Armee auszuspähen und gefangen zu nehmen.
Als das Todesurteil gegen die 3 Etzel Mitglieder verhängt wurde, hängte die Organisation die beiden Unteroffiziere in einem Eukalyptuswald nahe Netanya.
Die Tat sei abscheulich gewesen, sagt Ruth Zemach, die Frau von Yehuda, die zu dieser Zeit bei ihren Eltern in Netanya lebte. Der Etzel habe ein weiteres Mal die breite jüdische Öffentlichkeit gegen sich aufgebracht. Nach der Exekution klebte Ruth im Auftrag der Haganah Plakate gegen den Etzel in Tel Aviv. Dabei lernte sie Yehuda kennen. Tatsächlich hatte die Aktion noch viel weitreichendere Konsequenzen. So kam es in Großbritannien zu antijüdischen Ausschreitungen. Eine weitere Konsequenz, so sagt Yoske in Übereinstimmung mit der Geschichte, sei das Ende der Galgen gewesen. Die Briten hätten nach der Exekution der Unteroffiziere keine Gefangenen mehr gehängt.

Der Ausbruch des jüdisch-arabischen Bürgerkrieges brachte einen neuen Eklat um den Etzel. Bei der Einnahme des arabischen Dorfes Deir Yassin verloren die widerstandserprobten, aber kriegsunerfahrenen Etzel Kämpfer die Nerven und richteten ein Blutbad an, dass vom Etablissement des Yishuv und der Presse verurteilt wurde.
Während des ersten Waffenstillstands im Unabhängigkeitskrieg kam es zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen den israelischen Streitkräften und dem Etzel, der zu dem Zeitpunkt bis auf sein Jerusalem Bataillon bereits in die israelische Armee eingegliedert war. Streitpunkt war das Schiff Altalena des Etzel mit Kämpfern und Waffen an Bord. Die Kämpfer waren Beitar Mitglieder und die Waffen hatte der Etzel in Frankreich erstanden, bevor die Organisation in die Armee eingegliedert wurde. Begin und Ben Gurion hatten unterschiedliche Ansichten darüber, an wen die Waffen auszugeben sind. Neben den Einheiten des Etzel in Jerusalem forderte Begin, die Waffen an jene Einheiten der Armee auszugeben, in die die Kämpfer des Etzel integriert wurden. Die Altalena steuerte zunächst Kfar Vitkin an, wo Yoske und Leute des Etzel darauf warteten, die Ladung zu löschen. In der provisorischen Regierung entbrannte eine Auseinandersetzung darüber, wie die Situation zu lösen sei. Die Durchsetzung der Souveränität des Staates wurde gegen die Vermeidung eines Bruderkrieges abgewägt. Schließlich entschieden sich die Entscheidungsträger gegen einen Kompromiss mit dem Etzel und zur Demonstration des Gewaltmonopols des Staates zur Wahrung seiner Integrität. Ben Gurion wollte auf jeden Fall verhindern, dass sich mittels der Waffen eine eigenständige Armee etabliert, die sich nicht der politischen Führung unterwirft.
Die Atalena drehte ab und tauchte später vor der Küste von Tel Aviv wieder auf. Dort, so die Annahme von Begin, würde es die Armee nicht wagen, Gewalt anzuwenden. Doch am Strand trafen indes Einheiten der Armee ein und es kam zu Feuergefechten mit Etzel Einheiten. Arie Kindler war als israelischer Soldat beim Ausbruch der Schießereien dabei. Er erinnert sich, wie Jitzhak Rabin eine Granate geworfen hat.
Ein Treffer setzte Teile der Waffenladung in Brand. Begin bestand partout darauf, das Schiff als letzter zu verlassen. Yoske erinnert sich, wie er gegen jedes Zureden immun gewesen sei. Yoske fuhr ihn an, dass er, mit Verlaub, der Oberkommandant des Etzel sei und nicht der Kapitän der Atalena. Schließlich steckten Yoske und zwei Mitstreiterinnen den Oberbefehlshaber gegen dessen Willen in eine Schwimmweste und warfen ihn ins Wasser und sprangen hinterher. Noch als sie zum Strand schwammen, hätten Soldaten auf sie gefeuert, erinnert sich Yoske und am Strand angekommen, seien sie militärpolizeilich erfasst worden. Zwar seien nur ihre Fingerabdrücke genommen worden, sagt er, aber das habe gereicht ihm das Leben für viele Jahre zu versauern. Der Eintrag wurde während der gesamten Regierungszeit von Ben Gurion nicht gelöscht und erschwerte es Yoske enorm im Staat Israel zurecht zu kommen. Erst als der “Revisionisten Hasser” Ben Gurion abtrat, sei das Stigma annulliert worden.

Yoske
Yoske

Seit den ersten Parlamentswahlen stand Begin dem rechts-konservativen Herut vor und war damit auch im Parlament Gegenspieler von Ben Gurion und dessen Arbeiterpartei.
Begin mag sich aus verschiedenen Gründen dazu entschieden haben, aus dem Untergrund in die Politik zu gehen. Jedenfalls ertschloss er sich seine Anliegen im Rahmen der legitimierten Instanzen weiter zu verfolgen. Es war Begin ein Anliegen eine Opposition zur sozialistischen Hegemonie zu stellen.
Wahrscheinlich ging es Begin darüber hinaus auch darum den Ruf des Etzel in der Geschichtsschreibung zu schützen.

Begin wurde schärfster Kritiker des Wiedergutmachungsabkommens mit Deutschland und mobilisierte den außerparlamentarischen Protest. Er sprach auf den größten Kundgebungen, die Israel bis dahin gesehen hatte und entpuppte sich seinen Kritikern erneut als Demagoge.

Yoske fand indes eine Anstellung als Flugbegleiter bei El Al und wurde später Oberverantwortlicher für die Kabinenmannschaften.

Eine erste Annäherung an die Macht gelang Begin 67 als er Minister der großen Koalition wurde, die sich angesichts der Kriegserwartungen gebildet hatte.
Es sollte bis 1977 dauern, bis der von der Arbeiterpartei verhasste Begin an die Regierung kam. Es war der 9. Anlauf von Menachem Begin Ministerpräsident zu werden.
In der Wahlnacht verabschiedete sich der Sprecher mit dem Satz, dass man sich nun auf einen neuen Stil gefasst machen müsse.
Begin war ein Mann von Prinzipien und ein ausgezeichneter Redner. Er war ein bekennender Revisionist und vertrat die Doktrin von Jabotinski.
Nachdem er sechs Monate im Amt war, empfing Begin den ägyptischen Präsidenten Sadat in Israel. Die beiden Staaten befanden sich 30 Jahre im Krieg, und die Bilder des Besuches gingen um die Welt. Sadats Schritt war mutig und brachte Begin dazu den besetzten Sinai an Ägypten zu übertreten. Israel und Ägypten schlossen 1979 Frieden.
Der Friedensvertrag wurde in Camp David unterzeichnet. Yoske war persönlicher Flugbegleiter von Begin. Nachdem die Maschine in der Luft warm bot er dem Ministerpräsidenten ein Bett an. Dieser fragte zurück, ob es für jeden im Flugzeug ein Bett gäbe und Yoske verneinte. Nach fünf Stunden Flug fragte ihn Yoske erneut. “Herr Oberkommandant”, wie er ihn anredete, “vielleicht wollen sie sich doch ein wenig hinlegen.” Begin schaute ihn streng an und verneinte abermals. Und fügte hinzu, dass er nicht vergessen habe, wie Yoske ihn gewaltsam von der Atalena geworfen habe.

Wer Yoske kennenlernen möchte, trifft ihn im Etzel Museum an, wo er als Zeitzeuge gerne Rede und Antwort steht.

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Text: Oliver Vrankovic
Bilder: Oliver Vrankovic