Der Aramäer

Der Artikel erschien unter dem Titel „Gabriel Naddaf: Die eigene Identität der Aramäer“ erstmals in der Oktober Ausgabe der Jüdischen Rundschau.

GAbriel Naddaf und ich

Am 12. Mai diesen Jahres wurde dem griechisch orthodoxen Priester Gabriel Naddaf die Ehre zu Teil als erster Christ bei der Zeremonie zum israelischen Unabhängigkeitstag eine der Fackeln zu entzünden.
Die historische Tragweite sei ihm voll bewusst gewesen sagt Gabriel Naddaf, der als spirituelles Oberhaupt des christlich-israelischen Rekrutierungsforums für sein Bemühen um die jüdisch-christliche Integration geehrt wurde.

Gabriel Naddaf ist ein arabisch sprechender israelischer Aramäer griechisch-orthodoxen Glaubens. Eine Identifizierung als arabisch-israelischer Christ lehnt er entschieden ab. Christliche Araber gebe es nur in der palästinensischen Propaganda, erklärt er.

Es gehe beim Thema Identität nicht um seine persönlich Sichtweise, sondern um die Geschichte der Christen im Mittleren Osten erklärt Gabriel Naddaf. Und die Geschichte lasse keinen Zweifel daran, dass die Christen aller Kirchen im Nahen Osten Aramäer seien und keine Araber.

Die fälschliche Assoziierung der Christen im Nahen Osten mit den Arabern gehe auf die islamische Eroberung zurück und die Jahre arabischer Herrschaft, der sich die Christen zu unterwerfen hatten. Heute gebe es für die arabischen Christen keinen Grund sich als Minderheit der Minderheit der Araber zu sehen und deren feindselige Haltung zu Israel zu adoptieren.

Religiös, historisch und ethnisch beziehe sich die Identität der Christen des Nahen Ostens auf die jüdischer Geschichte und Kultur. Jesus selbst sei Jude gewesen und habe aramäisch gesprochen, erklärt Naddaf. Er sei als Kind jüdischer Eltern in der jüdischen Stadt Bethlehem geboren worden. „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen.“ zitiert ihn der bibelfeste Pater.

Leider würden die israelischen Christen auf ihre Verbindung zum Judentum kaum hingewiesen sagt Naddaf. Die Schuld gibt er den Kirchen des Nahen Ostens und den christlichen Schulen, die die jüdische Abstammung des Christentums außen vorlassen würden und auf die Juden nur als diejenigen zu sprechen kämen, die Jesus ans Kreuz genagelt hätten. Er selbst habe erst während seines Theologiestudiums die Verbindung zwischen Juden- und Christentum voll erfasst.
Gabriel Naddaf wurde 1995 in Nazareth zum Priester geweiht und diente in der griechisch orthodoxen Verkündigungskirche. Später wurde er zum Sprecher des Patrirchen Iraneus I berufen. Naddaf begann sich innerhalb der Kirche dafür einzusetzen, die Christen in Israel über ihre jüdischen Wurzeln aufzuklären. Sein Engagement wurde vom Patriarchen ausgebremst, da dieser die Angelegenheit für zu komplex und kontrovers hielt, als dass er sich dahinter gestellt hätte.

Im Oktober 2012 gründete der aramäische Christ Ehab Shlayan das Christliche Rekrutierungsforum um mit der Lüge der arabisch-christlichen Identität zu brechen. Der IDF Major und seine arabisch sprechenden christlichen Mitstreiter wurden dabei von der rechts-zionistischen NGO Im Tirzu unterstützt. Shlayan bat Gabriel Naddaf ihnen als spirituelles Oberhaupt zu dienen. Das Christliche Rekrutierungsforum organisierte im Oktober 2012 einen Kongress in Ober-Nazareth, der von 120 jungen Christen besucht wurde. Als der angesehene Kirchenmann Naddaf ans Rednerpult kam, konnte niemand ahnen, welche Schockwellen von diesem kleinen Kongress ausgehen sollten. Naddaf beteuert, dass er die Tragweite seiner Rede selbst nicht abschätzen konnte.
Der Priester begann sich im Verlauf des Jahres 2012 zunehmend unwohl zu fühlen mit den Bildern der Christenverfolgung, die ihn im Zuge der Ereignisse der “Arabischen Frühlings” erreichten und dem Schweigen der Kirchen. Er fragte sich wozu er Priester geworden sei, wenn er seine Stimme nicht erhebe, wenn brutalen Angriffe auf die christlichen Gemeinden im Nahen Osten verübt würden. Er sagt er habe in der Zeit sehr viel für die Christen des Nahen Ostens gebetet und sich dann den Gedanken ausgereift auch etwas zu tun. Er wusste, dass er massive Probleme bekommen würde, doch das Bedenken der Konsequenzen habe ihn gelähmt und schließlich beschloss er einfach zu machen. So stellte er sich im Oktober 2012 ans Rednerpult und erklärte, dass die Christen in Israel keine Araber seien, sondern Aramäer und als solche mit dem jüdischen Volk verbunden. Er rief die Christen dazu auf ihr jüdisches Erbe anzunehmen und dem Staat Israel zu dienen. Er rief die israelischen Christen dazu auf sich für die israelischen Streitkräfte zu rekrutieren. Er nutzte die Bühne, um die Christen in Israel aufzurufen, sich ihrer wahren Identität zu besinnen.

Die Reaktionen ließen nicht auf sich warten und waren extrem. Freunde entfernten sich und der griechisch-orthodoxe Rat der Stadt erklärte sofort nach Bekanntwerden des Kongress, dass dieser nicht die Interessen der christlichen Gemeinschaft repräsentiere. Außerdem sprach sich der Patriarch Theophilos III gegen die Rekrutierung von Christen für die israelischen Streitkräfte aus und Naddaf wurde der Zutritt zur griechisch-orthodoxen Verkündigungskirche verwehrt. Eine breit angelegte Kampagne in den arabischen Medien porträtierte ihn als Verräter. Die Palästinensische Autonomiebehörde forderte seine Absetzung aus all seinen Ämtern. 2013 wurde sein Sohn tätlich angegriffen.
Arabische Knessetabgeordnete dienten der Hasskampagne gegen Gabriel Naddaf in erster Reihe. So schrieb die Abgeordnete Hanin Zoabi in einem offiziellen Brief am 1. November, 2012, dass durch Naddaf mit seinem Aufruf zur Rekrutierung die christliche Jugend gefährde und sie von ihrem Volk abspalte und sie ihrem Feind in die Arme führe. Die Abgeordneten Muhammad Barakeh und Ahmed Tibi haben die Entlassung des Priesters gefordert.

NGOs wie Mossawa – finanziert vom NIF – haben sich der Kampagne gegen Naddaf angeschlossen. Eine schwarze Liste christlicher Führer und Aktivisten ging zusammen mit Bildern junger Christen, die an Rekrutierungsveranstaltungen teilgenommen haben, durch die israelfeindliche Presse. Das antizionistische Webzine +972 prangerte die Rekrutierung von Christen in die israelischen Streitkräfte in mehreren Artikeln an. Es kam zu Übergriffen auf Soldaten.

Es sei eine Schande, wenn Soldaten in Uniform in bedrängt und bedroht würden, beklagt Naddaf. Auf den Soldaten laste, stark sein zu müssen und den Boden dafür zu bereiten, dass es Teil der Normalität auch in arabischen Städten werde, die Landesverteidiger in Uniform zu sehen.

Baladna und Hamleh, weitere NGOs , wiesen unermüdlich auf die “Bedrohung” der israelischen “Teile und Herrsche”- Taktik hin, die “junge Palästinenser” von ihrem nationalen und historischen Erbe” abschneiden würde. Diese Gruppen würden das wachsende Selbstverständnis der Christen in Israel als Aramäer fürchten, da sich diese nicht für deren Delegtimationskampagnen gegen Israel einspannen ließen. Das Wohlergehen der christlichen Minderheit sei den vorgeblichen Menschenrechtsaktivisten auf jeden Fall egal.

In den ersten Monaten habe er dem immensen Druck ganz allein aushalten müssen, sagt Gabriel Naddaf. Doch er habe sein Engagement für die Zukunft der aramäischen Minderheit in Israel und ihren Beitrag zur Verteidigung als “Angelegenheit des Glaubens” gesehen.

Dann kam der Tag als er völlig überraschend einen Anruf des Premierministers erhalten habe, erinnert sich Pater Naddaf. Netanyahu habe ihm die Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Forum angeboten. Diese Zusammenarbeit dauerte ein Jahr. Entgegen weit gestreuten Lügen würde christlich-israelischen Rekrutierungsforum nicht von der Regierung bezuschusst, sagt Naddaf. Um Projektgelder müsse er sich wie jede andere Organisation bewerben.

Der wichtigste Aspekt seines Erfolges sei die Standhaftigkeit, sagt der Kirchenmann. Seine Gegner hätten damit gerechnet, dass der schnell unter dem Druck brechen würde, erinnert sich Naddaf. Tatsächlich berichtete Electronic Intifada im Juni 2013 enttäuscht: „Bisher ist Naddaf trotzig geblieben“. Er habe trotz des immensen Drucks gerade in den ersten Monaten nach seinem Aufruf zu seiner Überzeugung gestanden und sei vielen jungen Christen damit ein Vorbild.

Bitter für den Kirchenmann Naddaf war die Reaktion des Patriarchen Theophilis III , die er aber gleichfalls einordnen konnte. Er respektiere den Patriarchen selbstverständlich, sagt der Pater, der dem Vorgänger von Theophilis III als Sprecher diente und sich mit Kirchendiplomatie auskennt. Der Partiarch stehe nicht nur den griechisch-orthodoxen Christen in Israel vor, sondern auch denen in den palästinensischen Gebieten und denen in Jordanien. Außerdem gibt der Pater zu Bedenken, dass er Israeli sei und der Patrirach Grieche. Da sei der Blickwinkel ein anderer

Naddaf bezeichnet sich als pro-Zionistisch und spricht sich für die jüdische Souveränität in Israel aus, da diese Gleichbehandlung garantiere. Im September 2014 forderte er bei einer Rede an den Menschenrechtsrat der UN in Genf dazu auf, die “Hexenjagd” auf Israel zu beenden. Dem notorisch israelfeindlichen Gremium erklärte er , dass es heute im Nahen Osten nur ein Land gebe, wo Christen nicht nur nicht verfolgt würden, sondern wo ihnen die Freiheit der Meinungsäußerung, Glaubensfreiheit und Sicherheit gewährt würde. Weiter erklärte er, dass Israel der einzige sichere Platz für Christen im Nahen Osten sei.

Auf die Frage, ob der jüdische Staat nicht nur ein sicheres, sondern auch ein gutes Land für Christen sei, antwortet er, dass er hier das Glas mehr als halbvoll sehe. Trotz der Probleme, die es in dem Land fraglos gebe, würde es ihm als Christen gut gehen. Er zeigt auf das große Kreuz, dass er an sich trägt und erklärt, dass er so in keinem anderen Land im Nahen Osten, und besonders nicht im Irak oder Iran auf die Straße gehen könne. Israel biete all seinen Minderheiten gleiche echte und Teilhabe und das gelte auch für die Aramäer. In Israel müsse er seinen Glauben und seine Identität nicht verstecken.

2014 erlebten Gabriel Naddaf und gleichgesinnte Mitstreiter die Anerkennung der nationalen Minderheit der Aramäer. Jeder orthodoxe Christ hat heute die Möglichkeit sich formal von der nationalen Minderheit der Araber loszusagen und als Aramäer registrieren zu lassen.

Er sehe, dass die israelische Mehrheitsgesellschaft die Arme für die Aramäer öffne. Er erklärt es damit, dass die Juden verstehen würden, welche Bedeutung der Kampf für die eigene Identität habe.

Einen vorläufigen Höhepunkt seiner Arbeit erlebte Naddaf als der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu 2014 auf dem Weihnachtskongress des christlich-israelischen Rekrutierungsforum sprach. Im Festsaal in Nazareth Illit wurde Netanyahu von den 1000 Anwesenden mit stehende Ovationen begruesst.

Einer der Vorwürfe mit denen Gabriel Naddaf am Meisten konfrontiert wird bezieht sich auf seine Zusammenarbeit mit Politikern und NGOs aus dem rechten politischen Spektrum. Dabei, so versicher er, gehe es ihm nicht um die kleine Parteipolitik, sondern um das große Anliegen der Integration der Aramäer in die israelische Mehrheitsgesellschaft.
Politiker und Regierungen würden wechseln, erklärt Naddaf aber die Identität der Christen in Israel reiche darüber hinaus.

Im Jahr 2015 gab er die Denkschrift „Ein christlicher Wegweiser für die Anti-Israelische Boykottbewegung“ heraus, in der er theologisch begründet darlegt, warum es für Christen tabu sei, BDS zu unterstützen.

Die Aktivitäten des christlich-israelischen Rekrutierungsforums umfassen verschiedene Konferenzen während des ganzen Jahres, Bildungs- und Motivationsseminare, Ausflüge und ein Vorbereitungsprogramm für den Militärdienst. Jonathan, ein leitender Aktivist streicht zudem heraus, dass ein Schwerpunkte ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit auf Publikationen liege.
Dutzende von jungen christlichen Männern und Frauen aus dem ganzen Land kontaktieren Naddaf per E-Mail, um sich Rat einzuholen.“Teilhabe ohne Angst zu haben“ ermutigt er sie. Außerdem wird das spirituelle Oberhaupt des Rekrutierungsforums immer öfters zu Hausbesuchen eingeladen. Ihre Arbeit sei inzwischen so bekannt, dass sich immer mehr Familien mit Bitte um ein Treffen an ihn wenden würden, sagt Naddaf. Wenn er an den Anfang seines Engagements zurückdenke, sei er selbst vom Erfolg überrascht, gibt Pater Naddaf zu. Die Zahlen, die Jonathan präsentiert sprechen für sich.

Bis 2012 schrieben sich pro Jahr 35 arabisch sprechende Christen für den Armeedienst ein.
Im Jahr, dass auf den ersten Kongress und die Rede von Naddaf folgte, rekrutierten sich 150 junge Christen. Aufgrund von Übergriffen sei die Zahl im folgenden Jahr auf 115 zurückgegangen erklärt Jonathan. 2015 hätten sich 130 junge Christen rekrutiert und in diesem Jahr hofft das christlich-israelischen Rekrutierungsforums auf 200 Einschreibungen für die Armee und 600 für den Ersatzdienst.
Insgesamt mehr als ein Drittel der christlichen Schulabgänger reden, rechnet Jonathan vor.

Text: Oliver Vrankovic